Glückliches, betreutes Hören

BildWie bekannt sein dürfte, kann man seit gestern das neue Album „Lucky“ von Nada Surf auf deren MySpace-Seite und auch im Webwheel komplett anhören. Und da ich ein netter Mensch bin und zweitens noch weiß, wie es mir beim ersten Hören ging, möchte ich euch hiermit an der Hand nehmen und durch das Album führen.

Einer der ersten Gedanken, die mir nach dem Hören durch den Kopf gingen, war: Jetzt sind sie alt geworden. Weil mir das Album so viel ruhiger erschien. Als fließe es einfach nur dahin, wie ein breiter Fluss, ohne dass sich ein einziger Fels seine Strömung stören würde. Es fehlen diese rockigen Songs, die dich beim Konzert voller Freude rumhüpfen lassen. Aber so ist es eben, man hat die 40 erreicht und in diesem Alter schreibt man keine Collegerock-Songs mehr. Und man ist auch nicht einfach alt geworden, sondern gereift. Dazu zählt dann beispielsweise auch, dass der Matthew stolzer Papa geworden ist. Und mit diesen Hintergedanken sollte man auch das Album betrachten.

Den Einstieg bildet das schon bekannte „see these bones“. Ein Song, der das gesamte Album meiner Meinung nach sehr gut repräsentiert. Ich persönlich fand das Lied bei erstem Hören ganz nett, mehr nicht. Aber je mehr man darin eingetaucht ist, sich den Aufbau mit diesen mehreren überlagerten Stimmen vor Augen geführt hat, desto mehr ist er gewachsen. Heute ist es für mich der inside of love/always love-Nachfolger. Die folgenden Lieder „whose authority“, „beautiful beat“ und „weightless“ (unterbrochen von „here goes something“) bilden für mich das Herz des Albums. Man höre diese bitte in aller Ruhe und Entspanntheit an, lässt sich mitnehmen und treiben. Und ich wette, es wird ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Das ist „Lucky“.
Dann sind da noch die Songs, an die man vielleicht nicht so ohne weiteres heran kommt. Für mich sind dies zum Beispiel „are you lightning?“ und „here goes something“. Was wohl einfach auch mit der momentanen Konstitution meiner Gefühle zu tun hat. Aber ich bin mir sicher, dass ich irgendwann den Zugang dazu finde, selbst wenn ich dafür 40 Jahre alt oder Papa werden muss. So wie mir das mit einigen Songs von Nada Surf schon ging. Als ich etwa feststellte, wie bedeutend selbst „Kilian’s red“ sein kann. Aber zurück zu „Lucky“. Da ist noch „the fox“, ein politischer Song, wo man sich scheinbar einfach mal den Frust von der (amerikanischen) Seele geschrieben hat. Und dabei passen Musik und Text sehr gut zusammen. Es wirkt düster und bedrückend. Manche Bands sollten ja lieber keine politischen Lieder schreiben, Nada Surf gehören nicht dazu. Und in „ice on the wing“ verarbeitet Herr Caws unter anderem die Erfahrungen seines Großvaters in zwei Weltkriegen. Am Ende dieses Stücks gibt es dann ja auch Blasmusik zu hören. Diese stammt von Martin Wenk (Calexico) und dazu gibt es auch eine lustige Geschichte. Der Herr Wenk nahm aus Spaß ein Stück namens Bavarian Rhapsody auf und verschickte dieses per Mail. Die Nada Surfs haben dies dann einfach mit aufs Album genommen, wovon der Herr Wenk wahrscheinlich sehr überrascht gewesen sein durfte, falls er es denn überhaupt schon weiß.
Überhaupt sind viele Gastmusiker auf Lucky mit am Werk gewesen. Beispielsweise Ben Gibbard von Death Cab For Cutie oder John Roderick von den Long Winters. Eben was alles so durch die Studiotür schaute bei den Aufnahmen. Auch etwas, was sich eine Band wie Nada Surf über all die Jahre verdient hat. Und worüber man sicher glücklich ist, wie über manch andere Dinge auch.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass dieses Album nicht das erwartete ist. Und dass es einige vielleicht sogar als Kitsch, Hausfrauenmusik oder ähnliches abtun möchten. Denn es ist anders als die letzten Alben. Aber keineswegs schlechter, im Gegenteil. Es reißt sicherlich nicht sofort mit wie „The Weight is a Gift“, aber dafür beinhaltet es so viele Schönheiten, die man erst nach und nach entdeckt. Und wenn man dann nicht nur mit einem Ohr hinhört und sich darauf einlässt, dann macht es glücklich.

Noch etwas, weil mir das am Herzen liegt. Und weil ich noch mehr Alben dieser Band erleben will und damit sicher nicht allein bin. Man sagt ja heute schnell mal, an den CD-Verkäufen verdienen eh nur die Plattenfirmen und lädt sich deswegen Musik illegal runter. Nun sollte man aber wissen, dass bei Nada Surf das Geld der Band für die Produktion verwendet wird. Das stammt also nicht von irgendeiner Plattenfirma. Und so trägt natürlich auch die Band das finanzielle Risiko, welches heutzutage ja nicht gerade klein ist. Deswegen bitte ich darum, die Alben auch käuflich zu erwerben. Es lohnt sich ja auch ohne jeden Zweifel.

So, und jetzt würde ich mich freuen, eure Meinung zu erfahren.

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2 Antworten

  1. nach einer woche mit ‚lucky‘ habe ich es nun oft genug gehört, um halbwegs eine meinung darüber zu haben.
    und die ähnelt deiner doch sehr.

    am wenigsten konnte ich mich bisher mit ‚here goes something‘ anfreunden, am meisten wahrscheinlich mit ‚beautiful beat‘. obwohl man hier ’see these bones‘ nicht vergessen darf, das aber durch den vorabdownload einen eher separaten stellenwert einnimmt, leider. aber auch ‚the fox‘ mag ich sehr. das heißt… wahrscheinlich mag ich einfach das ganze album. und du hast recht, es macht glücklich. wenn man will.

  2. Ach schön, ich dachte schon es will keiner mit mir drüber reden.

    ‚here goes something‘ habe ich schon letztes Jahr auf dem Gurtenfestival gehört. Damals dachte ich, es handle sich eher um einen Scherz, als dass dieses Lied wirklich mal auf einem Album erscheinen würde. Aber jetzt passt schon irgendwie drauf. Überhaupt ist ‚Lucky‘ ja nicht wirklich vergleichbar mit den Vorgängern, aber eben trotzdem Nada Surf.

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