Seit gestern kann man das Album in voller Länge auf MySpace hören. Leider nur, wenn man da auch angemeldet ist. Aber nunja, von irgendwas müssen die ja auch leben, also der Murdoch Rupert. Egal.
Zu Beginn gibt es ein Instrumentalstück „Life in Technicolors“, dessen Thema in doch sehr ähnlicher Form auch im letzten Stück „Death And All His Friends“ wieder erklingt, dann aber mit Text unterlegt. „Cemeteries of London“ klingt dann so sehr nach Keane, wie eigentlich nur Keane sein können. Aber eben mit Chris Martins Stimme. Überhaupt drängen sich bei den weiteren Liedern sehr viele solche Gemeinsamkeiten auf, zu The Verve, Travis, Radiohead, U2… aber schnurz, Ideen kommen eben nicht aus dem Nichts. Es ist halt wichtig, was man daraus macht.
„Lost!“ plätschert mehr oder weniger vor sich hin, was vorerst in „42“ eine Fortsetzung findet, bis der Song, genau an der richtigen Stelle, einen Umbruch durchmacht. Und dies ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass Coldplay endlich mal die alten Songstrukturen hinter sich lassen. Und so eben nicht das Album wie eine (immer gute, aber eben halt doch eine) Kopie des Vorgängers klingt.
„Lovers in Japan/Reign of Love“ flirrt vom mitreißenden Powerpop in eine leichte, luftige Melodie. Worauf „Yes“ zuerst die kitschigen Streicher ertönen lässt, diese aber sogleich verstummen lässt und sich dafür orientalisch angehauchte Melodien erlaubt. Um nach einem Cut in Falsettgesang und E-Gitarrenklang umzukippen.
Auch „Viva La Vida“ beginnt wieder mit Streichern. Aber, und dies ist das Großartige an diesem Song, ohne jeden Kitsch, der sonst eben mit Streichern in der Popmusik verbunden ist. Dafür sorgen diese hier für den Druck, geben dem Song Dynamik. So dass dieser sich bis zur Hymne steigert.
Das folgende „Violet Hill“, die bekanntermaßen erste Single, ist sicher auch deswegen Single geworden, weil es gut den Fortschritt gegenüber den vorherigen Alben aufzeigt. Die ersten Töne erinnern sehr, sehr statk an „Politik“, so dass man im ersten Moment das Gefühl hat, Coldplay würden sich mal wieder nur selbst kopieren. Doch bereits nach kurzer Zeit nimmt der Song ungeahnte Wendungen, es werden bisherige Strukturen gesprengt und neues entsteht.
Mit japanischen Gitarren (ich kann es nicht anders beschreiben) beginnt der vorletzte Song „Strawberry Swing“. Ein sehr leichter, frischer Song.
Mit „Death And All His Friends“ wird der Kreis, wie schon erwähnt, geschlossen. Und verfliegt langsam. Denn der Tod kommt nicht immer plötzlich.
Coldplay haben mit diesem Album das geschafft, was nur wenige ihnen zugetraut hätten. Sie haben sich neu erfunden, ohne sich dabei zu verlieren. Und dies muss jeder, ganz gleich wie er zu dieser Band steht, anerkennen. Ganz gleich ob dafür ein Brian Eno benötigt wurde, das Ergebnis zählt am Ende.
Und dieses Ergebnis ist eben einfach ein großartiges Album. Sehr facettenreich, teils sehr gewagt, unkonventionell und trotzdem noch Coldplay. Dass sich dieses Werk verkaufen wird wie blöd, stand eigentlich schon vorher fest. Dass es aber auch musikalisch so überzeugen würde, konnte man, zumindest in dieser Form, nicht unbedingt erwarten. Umso angenehmer ist man jetzt vielleicht überrascht.
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