Dopingsumpf

Jetzt geht es ja doch plötzlich Schlag auf Schlag in Sachen Doping im Radsport. Zumindest beim größten deutschen Radteam. Was sicher ein Schritt in die richtige Richtung ist und ich würde mir wünsche, dass alle Beteiligten da mitziehen. Aber man muss die ganze Sache auch im Zusammenhang betrachten.

Wenn ich mir anschaue, wie ich letztes Jahr noch zu all dem stand, muss ich eindeutig feststellen, dass sich seitdem viel geändert hat. Damals war ich wirklich noch so naiv zu glauben, Dopingsünder wären nur Einzeltäter und der Großteil der Sieger wäre sauber. Aber so ist es eben nicht. Und daran wird sich auch nicht viel ändern. Auch nicht wenn die deutschen Radteams sich wirklich vom Doping befreien könnten. Denn erstens ist das nur ein Tropfen im Meer. Und das zweite Problem ist die Doppelmoral in diesem Zusammenhang.

Erstmal zum Radsport, wenn die Sünder von damals sagen, ohne das Doping hätten sie nicht gegen die Konkurrenz vor allem aus Spanien und Italien bestehen können, dann hat sich doch daran heute nichts geändert. Wenn die ersten Zehn der großen Rundfahrten in den letzten Jahren gedopt waren, dann wird es in den nächsten Jahren genauso sein. Den man kann den Radsport nicht sauber bekommen. Man kann den Leistungssport heute nicht dopingfrei betreiben. Die einzige Möglichkeit meiner Meinung nach ist, diesen Betrug so weit wie möglich einzudämmen. Natürlich läuft das auf ein Wettrüsten auf beiden Seiten heraus. Aber es gibt keine Alternative. Erstens benötigt man schärfere, aussagekräftige Kontrollen und zweitens höhere Strafen als Abschreckung. Der Sportler ist aber eigentlich das schwächste Glied in der Kette, deswegen muss noch an anderen Fronten gekämpft werden. Die Forschung, die Ärzte und was da noch dahinter steckt, müssen strafrechtlich verfolgt werden. Und Sportler, die beim Doping erwischt werden, dürfen nicht verteufelt werden. Wenn ein Jan Ullrich sagt, er habe nie jemanden betrogen, dann stimmt das natürlich nur bedingt. Seine Fans, die nichts von den Machenschaften im Hintergrund wussten, hat er sehr wohl betrogen. Und wenn ich an den Boom denke, den sein Toursieg 1997 ausgelöst hat, dann sind das sehr, sehr viele Menschen. Aber im Radsport selbst, in dieser Welt, in der er lebt, hat er niemanden betrogen. Weil alle davon wissen oder zumindest davon ausgehen können, dass die meisten Fahrer im Peloton nicht sauber sind. Ganz einfach.

Und wo fängt das Doping eigentlich an? Ein Beispiel dazu, in den Mountain Bike-Zeitschriften, die ich regelmäßig lese, sind seit ein paar Jahren immer viele Anzeigen für Nahrungsergänzungsmitteln, Wunderpillen und was weiß ich was zu finden. Und das sind alles legale Dinge. Ich habe diese nie wirklich beachtet, aber ist sowas nicht der erste Schritt Richtung Doping? Oder wenn ich ein Aspirin nehme, weil die Beine zu schwer sind, dann ist das eigentlich auch schon Doping. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, es ist unmöglich mehr als drei Stunden auf dem Rad zu sitzen und dabei nur Wasser zu trinken. Wobei isotonische Getränke natürlich noch kein Doping sind. Energieriegel auch nicht. Aber weit entfernt ist es im Grunde auch nicht und eine richtige Grenze kann man nicht ziehen. Gibt es also überhaupt einen sauberen Sport?

Und nun zur gesellschaftlichen Doppelmoral. Das lächerlichste Beispiel dazu ist ja, dass ein Politiker verlangt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender keinen Radsport mehr zeigen sollen. Sind die anderen Sportarten denn alle sauber? Sind die Schauspieler und Entertainer usw. denn alle drogenfrei? Oder ein anderes Beispiel, in der Musik. Kennt nicht jeder von uns Bands oder Künstler, deren Musik unter Drogeneinfluss entstanden ist und die wir trotzdem oder gerade deswegen so aufregend finden? Und, und, und… Kann es überhaupt eine menschliche Gesellschaft ohne Drogen geben? Aber das führt hier zu weit und ich bin zu müde für solche Fragen. Ich will mir nur von niemanden, der den Tag ohne Kaffee nicht überstehen würde, der zur Beruhigung der Nerven Nikotin oder Alkohol braucht, oder was es sonst noch so gibt, erzählen lassen, dass alle dopenden Sportler wie Schwerverbrecher behandelt werden müssten. Um es mal übertrieben zu sagen. Jeder Sportler muss für sich entscheiden, was er tut und was er lässt. Und die Verbände sind dazu da, den rechtlichen Rahmen abzustecken. Und dort muss angesetzt werden. Und nicht etwa bei den nicht mehr aktiven Sportlern, die jetzt geständig sind. Das ist der falsche Weg und kann so nicht funktionieren.

Schade ist es nur im diese wunderschöne Sportart, den Radsport, der dieses ganzen Mist im Grunde nicht nötig hätte. Denn hier geht es nicht um irgendwelche Rekorde. Niemanden interessiert es, wie schnell eine Etappe gefahren wurde. Und keiner würde sich beschweren, wenn es mehr Ruhetage in den großen Rundfahrten geben würde. Denn das Einzige was im Radsport wirklich zählt, ist der Kampf Mann gegen Mann. Oder Frau gegen Frau. Aber diesen direkten Vergleich kann man auch ohne Hilfsmittel bestreiten, nur ist das Doping wohl leider viel sehr im Radsport verwurzelt. Vielleicht erleben wir ja in den nächsten Tagen die ersten Schritte, daran etwas zu verändern.

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Eine Antwort

  1. Avatar von tanja

    toll beobachtet+geschrieben,
    aber meist braucht der mensch ja einen anderen menschen, auf den er mit dem finger zeigen kann, sonst müßte man sich ja mal intensiver mit sich selbst beschäftigen und das könnte evtl. nicht so angenehm sein

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